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Teilnehmerin an Fridays For Future Protest gegen den Ukraine-Krieg vor dem Reichstag, Berlin, 03.03.2022

Nachricht vom 27. Oktober 2023

Politische Bildung im Alter (Teil 2) – Wieso eine gesunde Demokratie politische Bildung im Alter braucht

Seniorinnen und Senioren sind eine große Wählergruppe, die aktuell weiter ansteigt. Ihnen kommt deshalb eine bedeutende Rolle für die Zukunft unserer Gesellschaft zu. Es gibt kein Alter ab, dem Menschen politisch unmündig werden. Sie können (und sollten!) bis ins hohe Alter wählen und sich politisch engagieren. Durch ihre Teilnahme an Wahlen, durch ihr politisches und bürgerschaftliches Engagement oder ihre Teilnahme an Demonstrationen gestalten sie bis ins hohe Alter die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland mit.

 

Die Altersverteilung der Wählerinnen und Wähler

Bei der Bundestagswahl 2021 war jede fünfte wahlberechtigte Person über 70 Jahre alt (zum Vergleich nur jede siebte Person, war jünger als 30 Jahre). Die Altersverteilung der potenziellen Wählerinnen und Wähler hat sich gegenüber früheren Wahlen weiter zugunsten älterer Wahlberechtigter verschoben und diese Entwicklung wird sich angesichts der Alterung der Bevölkerung fortsetzen. Gleichzeitig beteiligen sich ältere Menschen besonders stark an Wahlen. 75 Prozent der über 70-jährigen und 80 Prozent der 60- bis 69-jährigen Wahlberechtigten, aber nur 71 Prozent der 21- bis 24-jährigen haben bei der Bundestagswahl 2021 ihre Stimme abgegeben. Auch bei früheren Wahlen war die Wahlbeteiligung zwischen 21 und 69 Jahren mit zunehmender Alter höher. Ältere Menschen beteiligen sich als Altersgruppe also überdurchschnittlich stark an politischen Entscheidungen (vgl. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 2023).

 

Ungleichheiten in der politischen Bildung und Partizipation

Ihre im Durchschnitt stark ausgeprägte politische Teilhabe sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es innerhalb der Gruppe der Älteren große Unterschiede bei der politischen Beteiligung gibt und dass einzelne Bevölkerungsgruppen nur zu sehr geringen Anteilen am politischen Leben teilhaben. Ungleichheiten in der politischen Bildung und Partizipation aus jüngeren Jahren verstärken sich im Alter weiter. So kommt es, dass sich auch unter der älteren Bevölkerung viele Menschen politisch nicht wahrgenommen und gehört fühlen. „Dies trifft beispielsweise auf Ältere mit niedriger Bildung zu“ (Decker et. al. 2022, S.172). Aber auch auf andere, ohnehin benachteiligte Personengruppen wie Menschen mit Migrationsgeschichte oder mit geringem Haushaltseinkommen (vgl. Böhnke 2010). Auch zwischen Ost- und Westdeutschen Senioren und Seniorinnen lässt sich ein Unterschied erkennen, der vermutlich damit zu begründen ist, dass die soziale Lage und das Einkommen im Osten geringer ausfällt als im Westen Deutschlands (vgl. Schröter 2023, S.143).

Das große Problem daran: beteiligen sich ganze Bevölkerungsgruppen weniger an politischen Prozessen, finden deren Wünsche und Forderungen auch weniger Eingang in politische Reformen. Ein Teufelskreis, der in sich in zunehmender Frustration, Wut und Hass niederschlagen kann und extremistische Ansichten befördert (vgl. Böhnke 2010).

 

Warum betrifft das besonders auch die Zielgruppe älterer Menschen?

Lange Zeit wurde es in Programmen gegen Extremismus verschlafen, die Senioren und Seniorinnen mitzudenken. Man nahm an, dass der Extremismus der Älteren mit der Kriegsgeneration aussterbe (vgl. Stollreiter 2011, S. 5).

In den letzten Jahren zeigte sich immer wieder das Bild, dass Menschen über 61 Jahren durchschnittlich häufiger extremen politischen Einstellungen zustimmten, als Menschen im mittleren Alter. Sie waren damit ähnlich anfällig wie junge Menschen bis 18 Jahre (vgl. Decker et. al. S.57). Auch wenn dieser Befund speziell bei älteren Menschen in der neuerlichen Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung nicht mehr ganz so drastisch ausfiel, konnten teils hohe Werte der Zustimmung festgestellt werden. Dies ist z. B. bei Nationalchauvinistische Ansichten wie „Das oberste Ziel der deutschen Politik sollte es sein, Deutschland die Macht und Geltung zu verschaffen, die ihm zusteht“ mit 14,8 % der Befragten über 65 Jahren der Fall. Auch bei ausländerfeindlichen Aussagen wie „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet“ stimmten 13,2% der älteren Menschen zu (vgl. Schröter 2023, S.76). Besonders zu beachten ist dabei, dass durch die schiere Anzahl älterer Menschen im Verhältnis zu jüngeren in absoluten Zahlen gesehen, auch noch mehr Menschen so denken, als in jüngeren Generationen.

Diese Zahlen machen sehr deutlich, dass hier Handlungsbedarf besteht. Doch wie bei vielen Themen gibt es auch hier keine einfache Lösung nach Maß. In den folgenden Artikeln wollen wir uns daher tiefer mit dem Thema befassen.

 

Ältere Menschen als Multiplikatoren und Multiplikatorinnen aktiv einbinden?

Es gibt darüber hinaus viele Gründe, um ältere Menschen politisch zu bilden, abgesehen von dem Grund, ihre eigene Mündigkeit und gesellschaftliche Teilhabe zu erweitern:

  1. Erstens verfügen ältere Menschen über eine Fülle von Lebenserfahrung und Erfahrungswissen, die sie in politische Diskussionen einbringen können. Diese Erfahrungen können einen wertvollen Beitrag zur Gestaltung von politischen Entscheidungen und zur Lösung aktueller Herausforderungen leisten. Dies findet z.B. bereits seit Jahren in der Zeitzeugenarbeit Anwendung (vgl. Stollreiter 2011, S.12).
  2. Zweitens spielen ältere Menschen in vielen Gesellschaften eine bedeutende Rolle als Meinungsführende, Leitfiguren und Vorbilder. Wenn sie gut informiert und politisch geschult sind, können sie ihre sozialen Netzwerke und Familienangehörigen positiv beeinflussen. Dieser Einfluss kann dazu beitragen, eine breitere politische Bildung in der Gesellschaft zu fördern (vgl. Stollreiter 2011, S.1).
  3. Drittens sind ältere Menschen oft besonders engagiert und haben mehr Zeit für bürgerschaftliches Engagement. Sie sind sogar die Zielgruppe, in der der Anteil an Engagierten in den letzten Jahren am stärksten zugenommen hat (vgl. BMFSFJ 2021). Werden sie als Multiplikatoren und Multiplikatorinnen politisch gebildet, können Sie dieses Wissen nutzen und in ihrem Ehrenamt aktiv weitergeben.

Politische Bildung älterer Menschen kann also nicht nur ihre eigene Lebensqualität verbessern, sondern auch einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft als Ganzes haben. Daher ist es wichtig, Ressourcen und Programme bereitzustellen, die ältere Menschen in die Lage versetzen, als Multiplikatorinnen in politischen Fragen zu agieren.

 

Lesen Sie dazu mehr in den vorherigen bzw. folgenden Artikeln:

Teil 1: Start in das Schwerpunktthema politische Bildung im Alter

Teil 3: Die Digitalisierung als zusätzlicher Risikofaktor für die politische Bildung älterer Menschen

Teil 4: Politische Bildung als Lösung?

Teil 5: Der Mangel an politischen Bildungsangeboten für ältere Menschen

Teil 6: Was muss sich verändern? Wo setzen wir an?

 

Quellen:

Praxisbeispiele

Lernen Sie von den praktischen Erfahrungen anderer und lassen Sie sich inspirieren. Wir zeigen Ihnen verschiedene Beispiele, wie Bildung im Alter gelingt.

Übersicht der Praxisbeispiele - interner Link Öffnet den Link in einem neuem Fenster

 

 

Wussten Sie schon?

Nicht für die Schule, fürs Leben lernen wir! Dieser Satz geht auf den Philosophen Seneca zurück, der vor über zweitausend Jahren lebte. Es ist erstaunlich, dass dieses Thema in den Schulen immer noch brandaktuell ist.

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